Rückblick: Vortrag von Pfarrerin im Ehrenamt Christina Weyerhäuser

„Keine(r) stirbt für sich allein?! – Zur sozialen Bedeutung der Bestattung im Dorf“

Am 11. März 2020 berichtete Pfarrerin im Ehrenamt Christina Weyerhäuser auf Einladung des Ökumenischen Arbeitskreises über die gemeinschaftlich-öffentliche Dimension von Bestattungen. Wenn ein Mensch verstirbt, sei das keine reine Privatangelegenheit, sondern auch Sache des Gemeinwesens, sagte Christina Weyerhäuser. Wie ein Mensch bestattet werde, bringe zur Darstellung, wie er gelebt hat. Eine Bestattung sei eine öffentliche Veranstaltung; denn Aushänge, Traueranzeigen in lokalen Tageszeitungen und das Läuten der Glocken tragen die Nachricht in die Öffentlichkeit.

Im Bereich der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN) gibt es ca. 20.000 Bestattungen im Jahr. Dem stehen rund 15.000 Taufen gegenüber. Wie auch bei Trauungen gibt es kein kirchliches Monopol auf Bestattungen. Freie Trauerredner bieten vermehrt ihre Dienste an, Bestatter nehmen häufiger Trauerbegleitung wahr. „Sie sind im Gegensatz zu Pfarrern und Pfarrerinnen oftmals alteingesessen oder wohnen über längere Zeit an einem Ort, als es Pfarrpersonen tun. Dadurch entsteht eine höhere zeitliche Beständigkeit und Kontinuität. Zudem hat sich in den letzten Jahren das Berufsbild der Bestatter dahin gehend verändert, dass sie sich zunehmend als Seelsorgende verstehen und dies als Teil ihrer Serviceleistungen anbieten.“

Christina Weyerhäuser untersuchte für ihre Dissertation ein rheinhessisches Straßendorf mit ca. 1.600 Einwohnern. Der überwiegende Teil Deutschlands erfülle die Dimension der Ländlichkeit, daher beleuchtete die Theologin die soziale Bedeutung der Bestattung im Dorf. Im untersuchten Ort herrsche ein reges Vereinsleben, hier leben rund 50 Prozent evangelischen Christen. Das Dorf habe eine lange Tradition, die Menschen kennen sich untereinander. Die Pfarrerin sprach davon, dass ihrer Erfahrung nach die Angehörigen der Verstorbenen die zentralen Akteure seien. Zudem spiele Nachbarschaft eine wichtige Rolle im Ort. So werde beispielsweise bei der Teilnahme des Trauergottesdienstes unter Umständen genau unterschieden, ob der Verstorbene „Zugezogener“ oder „Einheimischer“ gewesen war. Ein zentrales Medium zur Verbreitung der Nachricht über den Tod eines Dorfbewohners sind die Kirchenglocken.

Die Pfarrerin berichtete über identitätsstiftende und verbindende Elemente von Bestattungen sowie dem Friedhof als sozialem Ort. Oftmals werde der Trauerkaffee heute als weniger öffentlich wahrgenommen als zum Beispiel der Trauergottesdienst, allerdings nicht allein aufseiten der Angehörigen, sondern gerade auch von denen, die potenziell daran teilnehmen könnten. „Man geht etwa mit zum Gottesdienst, aber danach nicht mehr unbedingt mit zum Trauerkaffee. Mit dem Trauerkaffee geschieht ein erster Schritt für die Angehörigen hinein in ein neues Leben ohne die verstorbene Person. Das wird mitunter als privater wahrgenommen als die Verabschiedung im gottesdienstlichen Setting. Ich finde es interessant, dass es also für manche eine Entkopplung von Abschiednehmen und Weiterleben gibt, die dann nicht mehr (gemeinschaftlich-öffentlich) begleitet wird“, führte Christina Weyerhäuser aus.

Abschließend sprach die Pfarrerin von der Wichtigkeit der Kasualien. In der heutigen Zeit seien den Gläubigen kirchliche Feiertage wie Weihnachten oder Ostern, kirchliche Feste wie Taufe, Kommunion, Konfirmation, Hochzeit und eben Beerdigungen wichtig. Der „normale“ Sonntagsgottesdienst lockt in Zeiten der „Eventkultur“ immer weniger Menschen an.  Die Besucher des Abends diskutierten lebhaft darüber, wie die Kirchen Kontakt zu ihren Mitgliedern halten und gegebenenfalls wieder mehr Besucher gewinnen können.

 

(Annette Meschkat)

Pfarrerin im Ehrenamt Christina Weyerhäuser