Rückblick: Symbole und Rituale in den Kirchen

Wenn knapp vierzig Besucher einen Gemeinderaum bevölkern, im evangelischen Gemeindehaus Weihrauch angezündet wird, lebhafte Diskussionen entbrennen und sich die Gäste nach zwei Stunden immer noch nicht trennen können, dann hat das Thema den Nerv der Zeit getroffen.

So geschehen am 8. November auf Einladung des Ökumenischen Arbeitskreises. Die beiden Referenten Prof. Dr. Helmut Schwalbach und Dr. Gerhard Dietrich brachten den Gästen Herkunft und Bedeutung so mancher Symbole und Rituale näher. Angefangen von der Frage, welche Alltagsrituale bekannt sind, wie das Händeschütteln zur Begrüßung oder das in früheren Zeiten übliche Aufstehen, wenn der Lehrer den Klassenraum betrat.

Aber auch Rituale ändern sich im Laufe der Zeit. Das Anzünden der Christbaumkerzen als Ritual in der Familie ist seit Einführung der elektrische Kerzen bedeutungslos geworden. In manchen evangelischen Familien ist das morgendliche Lesen der Losung ein neues Ritual geworden. Tischgebete oder das Anzünden einer Kerze in der Kirche sind Symbole in der persönlichen Alltagswelt. Besonders in der Not bekommen Symbole eine besondere Bedeutung, erkannten die Teilnehmer.

Im Alten Testament werden beim Propheten Amos Symbole und Rituale niedergemacht, wenn er keinen Gefallen an Festen und Opfern seines Volkes hat. Und auch Jesu äußert Kritik an den Waschungsritualen der Pharisäer vor der Kirche, da sie mit schwarzem Herzen aus dem Tempel kämen. Dennoch brauchen wir regelmäßige Treffen und Rituale, um uns zu erinnern.

Symbole haben immer einen Hinweis-Charakter, wie das Kreuz. Mit dem Weihwasser (ohne Wasser kein Leben, Symbol der Reinigung) erinnert sich der Kirchenbesucher an seine eigene Taufe. Ohne dieses Symbol dächte man wohl kaum beim Betreten des Gottesdienstraumes an seine Taufe. Hier hilft ein Symbol also, die Gedanken zu lenken. „Aufsteige mein Gebet vor das Angesicht des Herrn“ wird ausgedrückt mit dem Beweihräuchern von Bibel, Altar und Monstranz. Der Abendmahlskelch als Zeichen der Gemeinschaft ist ebenfalls ein starkes Symbol.

Das Aschekreuz am Aschermittwoch ist ein katholisches Ritual. War der Adventskranz zunächst nur in der evangelischen Kirche beheimatet, ist er inzwischen auch in der katholischen Kirche üblich. Die Stola am katholischen Gewand erscheint zu besonderen Anlässen nun auch bei evangelischen Amtsträgern. Altarkerzen und die Osterkerze im Gottesdienst sind beiden Konfessionen gemeinsam.

Natürlich gingen die Referenten auch auf die Symbolarmut der evangelischen Kirche ein. Hier hatte 1454 die Erfindung der Druckkunst durch Gutenberg und 1545 die Luther-Übersetzung der Bibel entscheidenden Einfluss. Nun war die Bibel in vielen Haushalten vorhanden und lesbar, die Bedeutung der Symbole ging damit zurück.

Schon vor 130 Jahren wurde im Lehrbuch „Einführung in die Liturgie“ auf Missstände hingewiesen: In der Liturgie habe der Pfarrer zurückzustehen und nur Transporteur zu sein. Persönliche Aussagen gehörten in die Predigt. Gelebt würde es leider oft umgekehrt.

Ebenso kam zur Sprache, dass es manchmal sinnvoll ist, Symbole einfach wirken zu lassen und nicht mit Erläuterungen zu „erschlagen“. Die Gemeindemitglieder bekamen viele Fragen beantwortet rund um Reliquien, Ewiges Licht, liturgische Gewänder, Bäffchen und Rosenkranz. Und auch nach dem gemeinsamen Schlusslied und Segen setzte sich der Austausch untereinander fort, so spannend war das Thema.

Annette Meschkat